Der Bezug von Hartz IV ist ein Sozialgeheimnis, welches das Jobcenter zu schützen hat. Telefonischer oder brieflicher Kontakt zum Vermieter ist deshalb tabu. Darf trotzdem mein Vermieter mit dem Jobcenter sprechen?
Manchmal läuft es eben nicht so. Job futsch, Partner weg – Geld und Liebe sind knappe Waren. Es tauchen dann zwei Gegner auf (neben dem/der Ex), das Jobcenter und der/die Vermieter:in. Der eine hat Geld, der andere will es. Am schlimmsten ist es aber, wenn sich beide zusammentun. Sie verbünden sich. Jedenfalls sieht es danach aus.
Der Retter aus der Not: das Bundessozialgericht. Es hat bereits mit Urteil vom 25.01.2012 (B 14 AS 65/11 R) festgestellt, dass es dem Jobcenter untersagt ist, mit dem/der Vermieter:in einer Hartz IV leistungsberechtigten Person, ohne deren Zustimmung Kontakt aufzunehmen. Das gilt für Schreiben wie für Telefongespräche. Denn mit der Kontaktaufnahme offenbart das Jobcenter die Arbeitslosigkeit und den Leistungsbezug der Person. Und dabei handelt es sich um Sozialgeheimnisse, die nur die Leistungsberechtigten selbst etwas angehen.
Das Gericht führt weiter aus: Nach den auch für das SGB II geltenden datenschutzrechtlichen Vorschriften habe jede:r Anspruch darauf, dass die ihn/sie betreffenden Sozialdaten von den Jobcentern nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Das Jobcenter könne eine Befugnis zum Offenbaren der Sozialdaten auch nicht damit rechtfertigen, dass dies erforderlich gewesen sei, um die eigenen Aufgaben zu erfüllen. Das Jobcenter müsse in jedem Fall die schutzwürdigen Interessen der Leistungsberechtigten beachten und hätte deshalb vor einer Kontaktaufnahme mit Dritten zunächst deren Einverständnis einholen müssen.
Wann darf mein Vermieter mit dem Jobcenter sprechen?
Eine kleine Hintertür bleibt dem Jobcenter allerdings. Ermächtigt sie das Gesetz ausdrücklich, Erkundigungen über eine:n Leistungsbezieher:in bei Dritten, sind sie auf der sicheren Seite. Das Einverständnis der Leistungsberechtigten wird dann nicht benötigt. Das ist aber nicht der gesetzliche Regelfall.
Geht Wohnberechtigungsschein (WBS) auch mit Ausbildungsduldung? Und was ist Ausbildungsduldung überhaupt? Das Verwaltungsgericht Berlin hat dazu entschieden.
Dieses Thema liegt an der Schnittstelle von gleich drei Rechtsgebieten. Der Wohnberechtigungsschein ist eine Sozialleistung (Sozialrecht), der seinen Inhaber*innen den Zugang zu staatlich geförderten Wohnungen gewährt (Mietrecht). Die Ausbildungsduldung ist eine Regelung des Aufenthaltsrechts. Das Verwaltungsgericht Berlin hat zuletzt mit einem Urteil schon frühere Entscheidungen dahingehend bestätigt, dass auch Personen mit Ausbildungsduldung einen Wohnberechtigungsschein (WBS) erhalten können. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Wohnberechtigungsschein, Ausbildungsduldung – was ist das überhaupt genau?
Der Wohnberechtigungsschein ist Teil der staatlichen sozialen Wohnungspolitik. Wer unterhalb einer bestimmten Einkommensgrenze verdient, erhält ihn und damit die Berechtigung, besonders günstige Wohnungen anmieten zu dürfen. Der Bund hat die Einkommensgrenze dabei auf 12.000 Euro pro Jahr für eine Person, auf 18.000 Euro für einen Zweipersonenhaushalt und auf zusätzlich 4.100 Euro je weiteres Haushaltsmitglied (Kinder) festgelegt (§ 9 WoFG). Die Bundesländer können hiervon jedoch abweichen und so darf zum Beispiel in Berlin deutlich mehr verdient werden.
Die vergünstigte Wohnung, die mit dem WBS bezogen werden kann, muss übrigens nicht aus dem Angebot einer städtischen Wohnungsgesellschaft stammen. Auch private Vermieter*innen haben WBS-Wohnungen im Angebot. Die Stadt Berlin hat eine Website geschaltet, mit der Sie berechnen können, ob Sie mit Ihrem Einkommen für einen Wohnberechtigungsschein in Frage kommen.
Die Ausbildungsduldung ist eine besondere Art der Duldung. Die Duldung allgemein spielt im Rahmen des Aufenthaltsrechts eine Rolle. Eigentlich ist das ein Euphemismus, denn wen der deutsche Staat nur duldet, der hat gerade kein Aufenthaltsrecht mehr. Geregelt ist das alles im Aufenthaltsgesetz. Ein Aufenthaltsrecht kann Ausländer*innen darin aus verschiedenen Gründen zukommen: Ausbildung (§ 16), Erwerbstätigkeit (§ 18), völkerrechtliche, humanitäre oder politische Gründe (§ 22), Familienzusammenführung (§ 27) und weitere (§§ 37 ff). Die Duldung kommt erst ins Spiel, wenn es um die Beendigung des Aufenthalts geht (§§ 50 ff).
Ausländer*innen ohne Aufenthaltsrecht droht die Abschiebung. Die Duldung wiederum setzt die Vollstreckung der Abschiebung aus besonderen Gründen aus (§ 60a ff). Sie gewährt aber kein echtes Aufenthaltsrecht. Fällt der besondere Grund weg, kann die Abschiebung sofort vollzogen werden (allerdings gibt es in Deutschland tausende Fälle sogenannter Kettenduldungen, bei denen Duldung auf Duldung folgt und die für die Betroffenen besonders belastend sind).
Wenige Gesetze werden so oft geändert, wie das Aufenthaltsgesetz. Die Ausbildungsduldung nach § 60c AufenthG wurde 2016 neu eingeführt. Hintergrund war, dass die Bundesregierung (jungen) Flüchtlingen eine Bleibeperspektive bei „guter Führung“ in Aussicht stellen wollte, ohne ihnen allerdings gleich ein echtes Aufenthaltsrecht zuzugestehen. Nach § 60c AufenthG werden Auszubildende grundsätzlich für die gesamte Dauer ihrer Berufsausbildung (in der Regel drei Jahre) geduldet. Danach besteht die Möglichkeit für eine sich anschließende Beschäftigung ein befristetes Aufenthaltsrecht zu bekommen (§ 19d AufenthG). Nach acht Jahren (sechs Jahre bei Familien) kann ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht erlangt werden (§ 25b AufenthG). Es wird deutlich: Wenn alles glattläuft (es gibt allerdings viele Fallstricke), können junge Flüchtlinge trotz Ablehnung ihres Asylantrages zu einer dauerhaften Aufenthaltserlaubnis kommen.
Wie hängen Wohnberechtigungsschein und Ausbildungsduldung zusammen? Und: Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin.
Der Kreis der Antragsberechtigten für den Wohnberechtigungsschein wird im Wohnraumförderungsgesetz nicht konkret, sondern abstrakt bestimmt. Nach § 27 Abs. 2 Satz 2 WoFG kann einen Wohnberechtigungsschein erhalten, wer „sich nicht nur vorübergehend im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten und […] rechtlich und tatsächlich in der Lage [ist], für sich und ihre Haushaltsangehörigen nach § 18 auf längere Dauer einen Wohnsitz als Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu begründen […]“. Die Frage ist also, ob dies auf Personen mit Ausbildungsduldung zutrifft.
In den vom Verwaltungsgericht Berlin entschiedenen Fällen hatten das verschiedene Berliner Bezirksämter abgelehnt und keine WBS ausgestellt. Sie beriefen sich darauf, dass die Ausbildungsduldung gerade kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht sei, sondern eine Duldung bleibe. In rechtlicher Hinsicht trifft dies natürlich zu. Denn bei der Duldung wird nur die Abschiebung ausgesetzt (s.o.). Die Ausbildungsduldung steht im Aufenthaltsgesetz auch nicht bei den echten Aufenthaltstiteln, sondern im Abschnitt der Duldung. In tatsächlicher Hinsicht verleiht die Ausbildungsduldung Flüchtlingen aber eine recht lange, sichere Bleibeperspektive.
So sah es auch das Verwaltungsgericht Berlin. In seinen Urteilen vom 25. Juni 2019 – 8 K 202.18 –, 01. August 2019 – 8 K 163.19 – und 14. Januar 2021 – 8 K 81/20 – entschied es, dass die Ausbildungsduldung für einen Wohnberechtigungsschein ausreicht. Die Ausbildungsduldung verwische den aufenthaltsrechtlichen Unterschied zwischen Duldung und Aufenthaltserlaubnis. Sie solle Ausländer*innen und dem Ausbildungsbetrieb Rechtssicherheit für die Zeit der Ausbildung geben.
Die Ausbildungsduldung erlösche auch nicht einfach. Sofern sich alles so ergibt, wie gesetzlich vorgesehen, führe die Ausbildungsduldung über den oben beschriebenen Weg zu einem echten und dauerhaften Aufenthaltsrecht. Insofern sehe die Ausbildungsduldung den von der Rechtsordnung im Übrigen missbilligten „Spurwechsel“ (von Duldung zu Aufenthaltsrecht) ausdrücklich vor.
Das Verwaltungsgericht hat in meinen Augen ein gutes Urteil für die Sache der in Deutschland nur Geduldeten ausgesprochen. Es bleibt allerdings abzuwarten, wie das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Sache sieht, denn es hat über dieses Thema noch nicht entschieden.
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