Diskriminierung bei der Wohnungssuche ist gesetzlich verboten. Erfahren Sie hier, wie die Rechtslage ist und ob sich eine Klage lohnt.
Die Wohnung sieht schick aus. 60 qm im Kreuzberger Hinterhaus mit Blick auf den großzügig begrünten Innenhof. Der Balkon ist groß und verspricht gemütliche Sommerabende. Die zu zahlende Miete ist in Ordnung. Mit dem Geld aus der Tätigkeit als Privatdozent für Physik an einer Berliner Hochschule ist das als Bonitätsnachweis geforderte Einkommen von drei Nettokaltmieten locker möglich. Tareq gibt erfreut seine Bewerbungsunterlagen in die Post.
Eine Woche später zieht er die Enttäuschung aus dem Briefkasten – er wurde abgelehnt, er entspreche nicht den Kriterien, mit freundlichen Grüßen. Tareq ist sauer, und auch etwas verwundert. Schließlich erfüllt er doch die Einkommenserwartungen, hat keine Haustiere und keine Mietschulden. Warum haben sie ihm nicht wenigstens einen Besichtigungstermin angeboten? Tareq wird misstrauisch. Er schickt seine Bewerbungsunterlagen als „Peter Alexander“ nochmal, in ansonsten nahezu unveränderter Form. Und siehe da – schon liegt die Einladung zur Wohnungsbesichtigung in der Post.
Benachteiligungen keine Seltenheit
Leider ist es keine Seltenheit, dass Menschen auf Wohnungssuche diskriminiert werden. Außerdem beschränken sich die Benachteiligungen nicht mal auf die Wohnungssuche; sie finden mitunter auch im laufenden Mietverhältnis statt. Bekannt ist hierzu ein Fall aus Berlin-Kreuzberg geworden, bei dem in einem Mietshaus nur von den Mietern mit türkisch und arabisch klingenden Namen Mieterhöhungen gefordert wurden (Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg, Urteil vom 19. Dezember 2014 – 25 C 357/14). Für die diskriminierten Personen sind das sehr bittere Erfahrungen, aber es ist auch ein Nachteil für die gesamte Gesellschaft. Soziale Gerechtigkeit und Multikulti sehen anders aus.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
Doch gegen solche Benachteiligungen auf dem Wohnungsmarkt gibt es Schutz durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Es ist auf Initiative der Europäischen Union entstanden und konkretisiert eigentlich nur, was schon Art. 3 Grundgesetz uns allen vorgibt. Nach § 1 AGG ist es Ziel des Gesetzes „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“ Nach § 2 Abs. 1 Nr. 8, §§ 19-21 AGG gilt dies explizit auch für den Bereich des Mietwohnungsmarktes.
Nun gibt es verschiedene Ausnahmen von diesem Grundsatz. So gilt zwar das Benachteiligungsverbot wegen „Rasse und ethnischer Herkunft“ unabhängig von der Anzahl der vermieteten Wohnungen (§ 19 Abs. 2 AGG). Doch die übrigen Benachteiligungsverbote kommen in der Regel erst zur Anwendung, wenn einE VermieterIn mehr als 50 Wohnungen vermietet (§ 19 Abs. 5 Satz 3 AGG). Außerdem müssen PrivatvermieterInnen die Benachteiligungsverbote nicht beachten, wenn „ein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis der Parteien oder ihrer Angehörigen“ hinsichtlich der infrage stehenden Wohnung begründet ist. Hier kommt insbesondere der Fall in Betracht, dass Wohnraum auf demselben Grundstück, auf dem auch die Vermieterin wohnt, vermietet werden soll (§ 19 Abs. 5 Sätze 1, 2 AGG).
Dennoch ergibt sich in vielen Fällen ein besserer Schutz für betroffene Personen. Es stellen sich hierbei allerdings zwei Fragen. Erstens, wie weise ich die Diskriminierung nach? Zweitens, welche Folgen hat ein Verstoß gegen das AGG?
Wie weise ich eine Diskriminierung nach?
Manchmal ist die Benachteiligung natürlich augenfällig – zum Beispiel, wenn im Wohnungsinserat geschrieben steht, es werde nur „an Deutsche“ vermietet (AG Augsburg, Urteil vom 10. Dezember 2019 – 20 C 2566/19). Oder wenn dem Wohnungseigentümer beim Besichtigungstermin eine entsprechende explizite Bemerkung rausrutscht (OLG Köln, Urteil vom 19.01.2010 – 24 U 51/09).
Oftmals wird sich die Lage jedoch als weniger eindeutig herausstellen, insbesondere wenn auf das Bewerbungsschreiben keine oder eine unbegründete Antwort folgt. In diesem Fällen kann es eine Lösung sein, das sogenannte Testing-Verfahren zu nutzen (vgl. AG Hamburg-Barmbek, Urteil vom 03. Februar 2017 – 811b C 273/15). Wie in dem eingangs beschriebenen Fall gilt es, eine oder besser mehrere möglichst ähnliche Bewerbungen mit anderem Namen/Alter/Geschlecht/etc. abzuschicken. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat hierzu weiterführende Informationen veröffentlicht. Den Betroffenen kommt hier außerdem eine Beweiserleichterung zu. Nach § 22 AGG müssen nur Indizien, kein Vollbeweis, vorgetragen werden, dass eine Diskriminierung vorlag. Sodann obliegt es dem oder der VermieterIn, das Gegenteil zu beweisen.
Welche Folgen hat ein Verstoß gegen das AGG?
Natürlich ist es eine wichtige Frage, welche Konsequenzen eine verbotene Benachteiligung überhaupt hat. Lohnt sich der Aufwand einer Klage? Ja! Denn im besten Falle kann die Anmietung der infrage stehenden Wohnung verlangt werden. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Wohnung bereits an eine andere Person vermietet wurde. Denn diese kann nicht zur Räumung gezwungen werden. Stattdessen kann in solchen Fällen Schadensersatz in Geld verlangt werden. Nach § 21 Abs. 2 Satz 3 AGG beträgt der Schadensersatz jedenfalls das Dreifache der Nettokaltmiete. Je nach Fall kann der Anspruch aber auch deutlich höher liegen. So haben die Mieter in dem oben genannten Fall vor dem Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg von Berlin je 15.000 Euro zugesprochen bekommen. Wichtig! Für die Geltendmachung von Ansprüchen gilt eine Frist von zwei Monaten (§ 21 Abs. 5 AGG).
Freilich verhindern alle Benachteiligungsverbote des AGG eine Form der Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt nicht: Geld haben oder nicht haben.