Das Bundesverfassungsgericht hat den Berliner Mietendeckel zu Fall gebracht. Wie kam es dazu und was müssen Mieter:innen jetzt bei der Rückzahlung beachten?
Aus der Traum, den viele geträumt haben. Die gesamte Berliner Mieterschaft, der Berliner Senat, das Abgeordnetenhaus, die vielen Befürwortenden in Rechtswissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft – sie alle stehen nun ohne den Schutz des Mietendeckels da. Im Jahr 2020 sind die Mieten in Berlin zum ersten Mal seit vielen Jahren gesunken. Nun werden sie wieder steigen. Denn mit am 15. April 2021 veröffentlichten Beschluss vom 25. März 2021 hat das Bundesverfassungsgericht den Berliner Mietendeckel gekippt (Pressemitteilung, Entscheidungstext).
Was bleibt? Von dem gesparten Geld leider nichts; es muss zurückgezahlt werden. Immerhin, für ein paar Monate hatten Vermietende so richtig Angst. Es kommt ja häufig genug vor, dass sich Vermietende nicht weiter um Regeln zum Mieterschutz scheren. Aber beim Mietendeckel mussten sie hohe Zwangsgelder fürchten – und sie haben sich deshalb alle daran gehalten.
Warum das Bundesverfassungsgericht gegen den Mietendeckel urteilte
Schon immer hatte der Berliner Mietendeckel seiner Fürsprechenden und Gegner:innen. Das ist kein Wunder, wenn man betrachtet, welche Auswirkungen sich für die eine oder die andere Seite ergaben. Für Mieter:innen ergaben sich teils drastische Einsparungen, für Vermieter:innen ebensolche Verluste. In diesem Artikel können Sie nochmal nachlesen, welche Regelungen der Mietendeckel im Einzelnen enthielt. Ich selbst war ein großer Freund des Mietendeckels. Der rbb-Radiosender „radioeins“ hat mich dazu und zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit noch am Morgen des 15. April 2021 interviewt.
Dafür, dass der Mietendeckel vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hat, gab es durchaus gute Gründe. Auch auf höchster juristischer Ebene hatte er seine Befürwortenden. Bei den Berliner Zivilgerichten standen zum Beispiel die Amtsgerichte Berlin-Mitte, Pankow-Weißensee und Neukölln, beim Landgericht Berlin die 65. und die 66. Zivilkammer an der Seite der Mieter:innen.
Das Bundesverfassungsgericht entschied jedoch anders. In seiner Entscheidung ging es gar nicht auf Fragen der Gerechtigkeit ein. Das Bundesverfassungsgericht urteilte, dass dem Land Berlin schon keine Gesetzgebungskompetenz für den Mietendeckel zukomme. Denn aufgrund des Föderalismus habe allein der Bund das Recht, Gesetze im Bereich des Mietrechts zu erlassen.
„Regelungen zur Miethöhe für […] Wohnraum, der auf dem freien Wohnungsmarkt angeboten werden kann […], fallen als Teil des sozialen Mietrechts in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für das bürgerliche Recht im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Mit den §§ 556 bis 561 BGB hat der Bundesgesetzgeber von der konkurrierenden Zuständigkeit für das Mietpreisrecht als Teil des bürgerlichen Rechts abschließend Gebrauch gemacht. Aufgrund der hierdurch eingetretenen Sperrwirkung verbleibt für die Regelungen zur Miethöhe in § 1 in Verbindung mit § 3, § 4, § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 bis Abs. 4, § 7 MietenWoG Bln kein Raum. Die Vorschriften lassen sich zudem weder auf den Kompetenztitel „Recht der Wirtschaft“ (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) noch auf Art. 70 GG stützen.“ (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 25. März 2021 – 2 BvF 1/20, Rn. 107)
Gemeint ist also, dass der Bund bereits umfassend für den Mieterschutz aufgekommen ist. Das Bundesverfassungsgericht sagt, der Bund habe den Mieter:innen Kündigungsschutz gewährt, Regeln über Betriebskostenabrechnung eingeführt und Mieterhöhungen im laufenden Mietverhältnis (§§ 557 ff BGB) und bei Neuvermietung (Mietpreisbremse) beschränkt. Nun könne nicht das Land Berlin mit eigenen Regeln „dazwischenfunken“.
Rückzahlung – Mieter:innen sollten schnell reagieren!
Es wäre wünschenswert, wenn Vermieter:innen nun mittels eines Schreibens die in den letzten Monaten zu wenig gezahlte Miete beziffern und zurückfordern. Ich denke, dies wird in der Praxis auch häufig der Fall sein. Sie sollten allerdings nicht darauf warten, wenn Sie auf der sicheren Seite sein wollen und befürchten, dass ihr:e Vermieter:in sie ohnehin auf dem Kieker hat. Denn es besteht das Problem, dass Vermieter:innen ein Kündigungsrecht zusteht, wenn Sie als Mieter:in mit der Zahlung der Miete in einer Höhe im Rückstand sind, die die Miete für einen Monat übersteigt (monatliche Warmmiete + 1 Cent). Es gilt also nun unbedingt zu handeln, denn das Kündigungsrecht steht den Vermieter:innen seit der Verkündung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts am 15. April 2021 zu.
Je nach Situation gilt zudem Folgendes:
- Wer nur von der Mietensenkung ab 23. November 2020 betroffen war, muss die Differenz zu der davor gezahlten Miete ausgleichen bzw. die in neueren Verträgen vereinbarte Schattenmiete. ACHTUNG: Diese Mieten KÖNNEN gg. die verfassungskonforme Mietpreisbremse verstoßen – evtl. lässt sich also doch noch Miete sparen. Dazu gerne unseren Artikel zur Mietpreisbremse studieren.
- Wer zusätzlich vom Mietenstopp ab 23. Februar 2020 profitierte, muss auch die Differenz zu den Mieterhöhungsverlangen ausgleichen, soweit diese eingeklagt wurden.
- Manche Vermieter:innen verlangen keine Rückzahlung, zum Beispiel Vonovia und die landeseigenen Wohnungsunternehmen (degewo, Gewobag, etc).
- Wer staatliche Unterstützungsleistungen (Hartz IV, Sozialhilfe, etc) erhält, sollte beim Amt Übernahme der entstandenen Kosten der Unterkunft beantragen.
- Das Land Berlin hat einen Unterstützungsfonds für bedürftige Haushalte aufgelegt.