Das Urteil zum Berliner Mietendeckel beschäftigt die Berlinerinnen und Berliner 2021 sehr. Hier gibt Rechtsanwalt Marek Schauer Antworten auf Ihre drängendsten Fragen.
Ist der Mietspiegel 2021 sicher oder wird es Angriffe darauf geben?
Die Frage ist berechtigt. Die Heuchelei der Vermieter war schier unerträglich. Die Rechtsunsicherheit hat schließlich nicht der Mietendeckel hergestellt. Im Gegenteil. Anhand von diesem gab es eine klare Mietpreisbestimmung. Allein der Angriff durch die Vermieterseite auf den Deckel hat die Mieter/innen in die jetzige Problemlage gestürzt. Nach dem Kippen des Mietendeckels kann eine Mietpreisregelung nur im Bund geschehen. In diesem Jahr ist Bundestagswahl. Eine – wenn auch eher minimale – Chance, einen Bundesmietendeckel zu erhalten, gibt es jedenfalls nicht mit den Immobilienfreunden von CDU, FDP oder AfD. Das könnte man beim Kreuzen berücksichtigen. Ob die Vermieter den neuen Mietspiegel torpedieren, bleibt abzuwarten. Jede Mietpreisregelung stellt eine Grenze für deren Gier dar. Insofern bleibt der Anreiz, den Mietspiegel als rechtswidrig darzustellen. Die gute Nachricht ist die, dass die Entscheidungen der Gerichte, die vergangene Mietspiegel als rechtswidrig ansahen, nur Einzelfallentscheidungen für das jeweilige Mietverhältnis waren. Nicht selten kamen sie zudem so spät, dass die zumeist bekannte Kritik dann bereits in dem neuen Mietspiegel berücksichtigt worden war. Die Mühlen der Justiz mahlen langsam. In dem Fall muss man sagen: Glücklicherweise.
Ich habe einen Staffelmietvertrag seit 2021 mit vier Staffeln in vier Jahren, der eine sogenannte Schattenmiete wegen des Mietendeckels enthielt. Nun ist der Deckel gekippt und der Vermieter verlangt die Schattenmiete, auf die er während der Geltung des Mietendeckels verzichtet hat. Kommt nun noch eine Erhöhung mit dem neuen Mietspiegel?
Nein. Hier gilt die Rechtslage, wie sie bereits vor dem Mietendeckel bestand. Mieterhöhungen nach dem Berliner Mietspiegel 2021 gelten nicht für alle Mietverhältnisse. Gegenstand von Mieterhöhungen nach den §§ 558 bis 560 BGB sind nur preisfreie Wohnungen. Auch Indexmieten und Staffelmieten können nicht Gegenstand einer Mieterhöhung auf die ortsübliche Vergleichsmiete nach dem Mietspiegel sein. Wenn Sie eine Mieterhöhung erhalten, müssen Sie nicht zustimmen. Anders wäre es nur, wenn die Staffeln im Mietvertrag ausgelaufen sind. Dann besteht durchaus die Möglichkeit einer Mieterhöhung nach dem Mietspiegel, wenn die Einordnung Ihrer Wohnung mit all ihren Merkmalen das hergibt. Lassen Sie sich dazu beraten. Und denken Sie auch daran, die Staffelmieten nach der Mietpreisbremse zu prüfen. Zwar ist der Mietendeckel gekippt, aber die Mietpreisbremse gilt weiter. Die einzelnen Staffeln dürfen nicht der verfassungskonformen Mietpreisbremse widersprechen!
Der Vermieter hat die Nettokaltmiete im Jahr 2020 (Schreiben vom 1. Oktober 2020) zum 1. Januar 2021 erhöht. Da ich das als einen Skandal empfand, habe ich gleich abgelehnt. Der Vermieter klagte. Das Gericht erklärte mir, dass die Miete tatsächlich erhöht werden darf. Gleichzeitig erklärte es dem Vermieter, dass er die erhöhte Miete aber wegen des Mietendeckels nicht verlangen dürfe. Ich habe nun den Rückstand ab 1. Januar 2021 ausgeglichen. Dürfte der Vermieter nach Erscheinen des Mietspiegels gleich mit Schreiben vom 1. Juni 2021 die Zustimmung zu einer Mieterhöhung zum 01. September 2021 verlangen?
Nein. Ihr Vermieter kriegt wohl nie genug. Auch nicht, nachdem er sich mit der „Schattenmietkonstruktion“ schon gegen den Mietendeckel abgesichert hat. Er muss sich nach wie vor an die Grenzen, welche das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) für Mieterhöhungen vorsieht, halten. Und diese sehen kleinere Atempausen bei den Mieterhöhungen vor. Diese Pausen sind in § 558 Absatz 1 BGB geregelt. Reinschauen lohnt sich, weil das Recht dort nicht so verklausuliert hineingeschrieben wurde. Es ist von zwei Fristen die Rede. Zum einen fünfzehn Monate und zum anderen ein Jahr. Die fünfzehn Monate müssen zwischen den Erhöhungen liegen. Wenn Ihre letzte Mieterhöhung zum 1. Januar 2021 galt, darf die nächste Mieterhöhung erst zum 1. April 2022 eintreten. So liegen fünfzehn Monate zwischen den Mieterhöhungen.
Zudem darf das dazugehörige Ankündigungsschreiben erst ein Jahr nach Geltung der letzten Mieterhöhung eintrudeln. Mithin nicht vor dem 1. Januar 2022. So wird sichergestellt, dass die Vermieter Sie nicht vorzeitig mit möglicherweise sogar rechtmäßigen Erhöhungen nerven dürfen.
In Ihrem Fall sind beide Fristen nicht eingehalten worden. Sie können die Mieterhöhung schweigend ignorieren oder forsch zurückweisen.
Während des Mietendeckels bekam ich eine Mieterhöhung von ca. 20 Euro nach dem Berliner Mietspiegel 2019, die ich ablehnte. Der Vermieter verklagte mich. Ich bezog mich auf den Mietendeckel, aber auch auf eine falsche Einordnung der Wohnung in den Mietspiegel. Das Amtsgericht Neukölln gab mir recht und bezog sich auf den Mietendeckel. Der gierige Vermieterhai ging in Berufung zum Landgericht. Dieses gestand ihm 2,33 Euro zu, erklärte aber, dass das wegen der falschen Einordnung in den Mietspiegel 2019 zustande kommt, nicht wegen des Mietendeckels. Das Urteil ist rechtskräftig. Muss ich jetzt nur die 2,33 Euro nachzahlen oder die ca. 20 Euro monatlich?
Nur die 2,33 Euro – das reicht ja wohl. Sie sind offenbar bei einer Kammer vom Landgericht Berlin gelandet, die den Mietendeckel nicht als ein „Verbotsgesetz“ sah und jede Mieterhöhung ausschloss. Anders in Ihrem Fall sah das offenbar noch die Richterin am Amtsgericht. Sie müssen wissen, dass die Richter/innen in Berlin an den Amtsgerichten und Landgerichten unterschiedliche Auffassungen vertraten.Bei Ihnen hat das Landgericht nicht den Mietendeckel angewandt, sondern „ganz normal“ den geltenden Mietspiegel. Ihr taktisch kluger Anwalt hat sich offenbar nicht nur auf den Mietendeckel bezogen, sondern als Backup-Lösung zum Mietspiegel vorgetragen. Klasse. Dadurch konnte er Ihre Mieterhöhung erheblich reduzieren und das hat auch das Landgericht so gesehen und die Klage des Vermieters im Übrigen abgewiesen. Mit der Rechtskraft bleibt es auch nur bei der minimalen Erhöhung. Mit dem Mieten-deckel hat Ihr Fall also gar nichts zu tun.
Kann der Vermieter die Miete mit dem Mietspiegel 2021 weiter erhöhen?
Grundsätzlich schon. Denn mit der Fortschreibung des Mietspiegels 2019 wurden die Mietspiegelfelder um 1,1% nach oben angepasst. Da der Vermieter nach Ihren Aussagen durch das Landgericht auf das Maximum begrenzt wurde, besteht nun in dieser Höhe auch ein Spielraum nach oben. Bitte beachten Sie auch, dass sich bei Verbesserungen der Wohnung (oder auch Verschlechterungen) der Spielraum zur Erhöhung durch die Einordnung der Wohnung in die sogenannte Spanneneinordnung mit wohnwerterhöhenden und wohnwertmindernden Merkmalen erweitern kann. Unsere Beratungsangebote helfen Ihnen hier weiter.
Ich habe eine Mieterhöhung während der Geltung des Mietendeckels erhalten und mich mit Bezug auf diesen gewehrt. Der Vermieter musste mich natürlich am Amtsgericht in Pankow/Weißensee verklagen. Seine Klage wurde jedoch mit Bezug auf den Mietendeckel zurückgewiesen. Der Vermieter ist nicht in Berufung gegangen. Kann er die Mieterhöhung von damals jetzt nach Kippen des Deckels verlangen?
Das hätte der gern. Geht aber nicht. Sie haben Glück gehabt und das ist auch gut so. Mit der Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts soll auch Rechtsfrieden herrschen. Der Vermieter hat seine Chance gehabt, vor das Landgericht zu ziehen und sie nicht genutzt. Damit ist das Verfahren über diese Mieterhöhung beendet. Der Vermieter kann jetzt nicht im Nachgang versuchen, das Urteil des Amtsgerichts aufzuheben und die Mieterhöhung durchzusetzen. Eine sogenannte Restitutionsklage (§ 580 BGB) ist nicht zulässig. Gleiches gilt übrigens auch dann, wenn der Vermieter eine Mieterhöhung im Zeitraum der Geltung des Mietendeckels nicht gerichtlich durchsetzte und die Frist nach § 558 Absatz 2 Satz 2 BGB verstreichen ließ, weil er dachte, dass er keine Chance bei Gericht gehabt hätte. Die Frist – das ist auch ein allgemein wichtiger Punkt – beträgt drei Monate ab der vorgesehenen Geltung der neuen Miete. Sollte eine Mieterhöhung also zum 1. September gelten, hat der Vermieter Zeit, bis zum 30. November zu klagen. Tut er dies nicht, besteht kein Anspruch auf Mieterhöhung.Allerdings kann der Vermieter natürlich nunmehr versuchen, mit einer neuen Mieterhöhung um die Ecke zu kommen.
Unser Vermieter versucht jedes Jahr, unsere Miete zu erhöhen und erzählt uns, dass wir im Altbau einen hochwertigen Bodenbelag mit unseren „schönen Dielen“ (Zitat Vermieter) haben, und dass unsere Wohnungen in Friedrichshain eine „bevorzugte Citylage“ seien. Wir als Hausgemeinschaft sind unsicher, ob das stimmt. Bisher haben wir immer dagegengehalten, aber jetzt kommt er mit einem gewieften Anwalt um die Ecke und wir denken, er wird uns verklagen. Hat er recht?
Dies sind Klassiker in der Rechtsprechung zu Mieterhöhungen. Das Problem liegt darin, dass die Mieter/innen oft unsicher sind. Dielen können auch in höher betagtem Stadium noch gut aussehen und sind – selbst bei elendig lautem Knarren – sehr beliebt. Gleiches gilt für ein Leben im Friedrichshain. Die dortigen Altbauten sind ebenfalls begehrt und zentral gelegen. Der Gedanke der „bevorzugten Citylage“ liegt da nahe.
Trifft aber nicht zu. Die einhellige Landgerichtsrechtsprechung sieht lediglich Gebiete um den Alexanderplatz, die Friedrich- oder Schlossstraße als „bevorzugte Citylage“ an. Maßgeblich ist nicht, ob eine Lage beispielsweise bei Student/innen (Friedrichshain-Kreuzberg, Neukölln, Schöneberg), Tourist/innen (überall in Berlin) oder veganen Schwaben (Prenzlauer Berg) begehrt ist und im S-Bahn-Ring liegt, sondern eine Zentralisierung von Hochkultur und edlem Shopping. Das liegt eben in Teilen von Mitte und Steglitz vor, aber nicht in Hipstergegenden. Lassen Sie sich nicht veralbern. Friedrichshain ist schön, der Autor hat dort 10 Jahre gerne gelebt, aber einen guten Hummer bekommt man mit Glück im abseits gelegenen Frische-Paradies und in eine Oper kann man dort nicht gehen.Bei den Dielen ist es nicht so einfach. Grundsätzlich sind Dielen nicht bei den wohnwerterhöhenden Merkmalen bei dem hochwertigen Bodenbelag aufgezählt. Daher zählt die Rechtsprechung auch abgeschliffene und gut erhaltene Dielen zu „normalem“ Bodenbelag. Nur in strengen Ausnahmefällen, wenn die Dielen besonders aufbereitet und edel gepflegt sind, kann ein Dielenfußboden auch ein hochwertiger Bodenbelag sein. Das ist aber tatsächlich selten der Fall. „Schöne Dielen“ bedeuten jedenfalls erst einmal nichts. Lassen Sie sich lieber beraten, bevor Sie nachgeben.
Nach so vielen Einzelfragen noch eine wesentliche Frage: Welche Änderungen enthält der Mietspiegel 2021 denn eigentlich?
Recht wenig. Wesentlich ist die bereits benannte globale Anpassung der Mietspiegelmieten um 1,1% nach oben. Es gab neue Adressen, die in die bestehenden Wohnlagen einsortiert werden mussten. Aber ansonsten bleibt es bei der Systematik wie im Mietspiegel 2019. Es gibt die Ihnen bekannte Tabelle, in welche Sie Ihre Wohnung einsortieren und die Abfrage der wohnwertmindernden und wohnwerterhöhenden Merkmale aus der Orientierungshilfe. Danach wird die ortsübliche Vergleichsmiete Ihrer Wohnung innerhalb der Spanne in Ihrem Mietspiegelfeld punktgenau ermittelt.
Was muss ich bei einer Mieterhöhung nach dem neuen Mietspiegel 2021 tun?
Auf jeden Fall Ruhe bewahren und uns kontaktieren. In Zeiten der Pandemie gerne erst einmal telefonisch, wir haben die Telefonberatung erheblich ausgebaut. Uns ist bewusst, dass wir einzelne Fragen ohne die persönliche Konsultation nicht lösen können – dafür gibt es besondere Präsenzberatungen mit Termin, auf die die Telefonberater/innen dann verweisen können. Wir lassen Sie niemals im Stich.
Wenn Sie die Beratung selbst vorbereiten wollen, empfehlen wir Ihnen die Internetseite der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Diese stellt auf Ihren Seiten ein Online-Formular zur vorläufigen Berechnung Ihrer Nettokaltmiete zur Verfügung. Notieren Sie sich einfach Ihre Angaben dort. In der Beratung kommen wir so schneller zum Punkt. Wer es gerne mit Papier und weniger digital mag, kann die Angaben insbesondere zur Einordnung in wohnwerterhöhende und wohnwertmindernde Merkmale bei der sogenannten Spanneneinordnung auch hier im Heft oder in der Mietspiegelbroschüre des Senats vornehmen.
Wichtig ist nur: Machen Sie da nichts auf eigene Faust. Wenn Sie selbst zum Ergebnis kommen, dass Sie die neue Miete ganz oder teilweise nicht schulden, lassen Sie sich trotzdem beraten. Es kann Ihre Taktik zerschießen, wenn Sie dem Vermieter Ihr erworbenes Wissen offenbaren.
Es gibt ja in zwei Jahren sicher wieder einen neuen Mietspiegel – kann ich auch was zur Begrenzung der Mieten beitragen?
Ja, na klar. Einerseits wird es Erhebungen zu Mieten und Wohnraumbeschaffenheit geben und die Arbeitsgruppe Mietspiegel ist auf Ihre Mitwirkung angewiesen. Schmeißen Sie die entsprechenden Briefe also nicht weg – insbesondere natürlich, wenn Ihre Miete nicht überteuert ist und in der Vergangenheit maßvoll erhöht wurde. Dann fließt diese moderate Miete in den neuen Mietspiegel eventuell ein. Es ist schon schlimm genug, dass die teuren Mieten, welche der Mietpreisbremse widersprechen, in dem Mietspiegel erhoben sind, trotz unseres Protests. Da bleiben wir dran.